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Erweiterung Feuerwehrgerätehaus mit Infraleichtbeton

1. Dezember 2021

Der von der SCHWENK Zement GmbH & Co. KG entwickelte Infraleichtbeton wurde bei der Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses in Ditzingen für die Außenwände eingesetzt. Der Vorteil des nachhaltigen Betons besteht darin, dass die Dämm- und Tragwirkung durch ein Material erreicht wird. Nach Herstellung der Wand erfolgen keine weiteren Putz- oder Verkleidungsarbeiten. Hier entspricht der Rohbau der fertigen Wand. Lediglich eine Hydrophobierung als Schutz an der Außenseite wird noch aufgebracht. Somit kann die Außenwand nach Ablauf der Nutzung zu 100 % recycelt werden. Eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Bauen.

Bedingt durch die geringe Trockenrohdichte von etwa 620 kg/m³ können Druckfestigkeiten von etwa 6 N/mm² erreicht werden. Diese sind im herkömmlichen Wohnungsbau ausreichend und meist höher, als die Druckfestigkeiten der dort üblicherweise verwendeten Wandbaustoffe.

Da der Infraleichtbeton in der Rohdichte und Festigkeit von herkömmlichen Leichtbetonen nach DIN EN 206-1/DIN 1045-2 [1] abweicht, ist bei der Verwendung als tragendes Bauteil eine „Zustimmung im Einzelfall“ durch die oberste Landesbaubehörde notwendig.

Projekt
Das bestehende Feuerwehrgerätehaus in Ditzingen sollte erweitert werden. Es war geplant, das bestehende Gebäude umzubauen und in einem zusätzlichen eingeschossigen Anbau Umkleideräume vorzusehen.

Der Architekt Martin Betz aus Ditzingen hatte als Material für die Außenwand Infraleichtbeton ausgewählt. Der neuartige, noch nicht genormte Baustoff hat den Vorteil, dass die Wand die Anforderungen sowohl an die Trag- als auch die Dämmwirkung erfüllt. Beim Thema Brandschutz hat der Baustoff auch Vorteile gegenüber anderen leichten Wandbaustoffen. Wobei diese Eigenschaft bei dem Feuerwehrgerätehaus sicher nicht der wichtigste Faktor ist. Außerdem hat den Architekten die außergewöhnliche Optik und Haptik des Materials begeistert.

Gemeinsam mit dem Architekten, dem Statiker, der Baufirma und dem Betonlieferanten wurden im Vorfeld die Vorgehensweise zur Planung und Ausführung abgestimmt. Nur wenn alle Beteiligten gut zusammenarbeiten, kann das Ergebnis gelingen.

Zustimmung im Einzelfall
Weicht ein Baustoff oder eine Bauweise von der Norm ab, so kann durch eine „Zustimmung im Einzelfall“ durch die oberste Baubehörde des Bundeslandes, wo das Gebäude errichtet wird, die Anwendung erlaubt werden. Dazu werden entsprechende Eignungsnachweise vorgelegt und durch einen Fachgutachter bestätigt.

Beim Infraleichtbeton sind es die Rohdichte und Druckfestigkeit die von der Normung abweichen. Durch die Betonnorm DIN EN 206-1/DIN 1045-2 [1] ist für den Leichtbeton die Rohdichte bis zu einer Untergrenze von 800 kg/m³ und die Druckfestigkeitsklasse LC 8/9 geregelt. Mit dem Infraleichtbeton werden beide Werte unterschritten.

Somit wurde ein Antrag auf „Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE) für den von SCHWENK entwickelten Infraleichtbeton für die Erstellung der Außenwände beantragt. Zuständig ist in Baden-Württemberg das Regierungspräsidium Tübingen, Landesstelle für Bautechnik.

Unterstützt wurde der Antrag durch eine gutachterliche Stellungnahme von Univ.-Prof. Dr.-Ing. K.-C. Thienel von der Universität der Bundeswehr in München. Er ist mit seinem Team seit vielen Jahren maßgeblich an der Weiterentwicklung von Leichtbeton und Infraleichtbeton erfolgreich tätig.

Der Antrag wurde am 08.04.2020 gestellt und mit Bescheid vom 02.09.2020 erteilt. Im Vergleich zu anderen Maßnahmen mit Infraleichtbeton konnte erreicht werden, dass die Bewehrung ohne Korrosionsschutz eingebaut werden kann. Dies war möglich, da die statische Belastung der Wand sehr gering war und die Bewehrung nur konstruktiv und nicht tragend ausgeführt werden musste. Gegenüber Normalbeton karbonatisiert der Infraleichtbeton schneller. Deshalb sollte tragende Bewehrung entsprechend korrosionsgeschützt ausgeführt werden, zumindest bis neuere Erkenntnisse zum Karbonatisierungsverhalten von Infraleichtbeton vorliegen.

Auflage der „ZiE“ war, dass die Betoniertermine durch den Gutachter Prof. Thienel und sein Team begleitet und dokumentiert werden. Darüber hinaus war die Baumaßnahme durch die Baufirma auch zur Überwachung nach Überwachungsklasse 2 (ÜK2) anzumelden.

Herstellung des Infraleichtbeton
Der SCHWENK Infraleichtbeton ist ein komplexes Gemisch unter Verwendung von einem Zement mit niedriger Hydratationswärmeentwicklung: Hier wurde der CEM II/B-M (V-LL) 32,5 N-LH (az) aus dem SCHWENK Lieferwerk Allmendingen verwendet. Weiterhin sind Mikrosilica, Kalksteinmehl, leichte Gesteinskörnungen, Polypropylenfasern, Wasser und Betonzusatzmittel in der Rezeptur enthalten. Um dieses Vielstoffgemisch herstellen zu können, muss das Transportbetonwerk über ausreichende Lagerkapazitäten für die Ausgangsstoffe und einen Mischer mit guter Mischwirkung verfügen.

In unserer SCHWENK Betongesellschaft in Stuttgart gibt es mehrere Standorte mit leistungsfähigen Anlagen. Insbesondere im Werk Feuerbach sind zwei Mischer vorhanden. Somit kann einer für die Herstellung des Infraleichtbetons verwendet werden und die Normalproduktion nahezu ungestört über den anderen Mischer weiterlaufen.

Bei der Rezepturerstellung, Herstellung und Einbau des Betons samt Prüfungen waren die Mitarbeiter*innen des SCHWENK Technologiezentrums immer mit vor Ort und haben die Prozesse eng begleitet.

Nach Herstellung des Betons wurden im Werk Prüfungen des Luftgehaltes, der Rohdichte und des Ausbreitmaßes durchgeführt, bevor die Freigabe zur Baustellenbelieferung erfolgte.

Verarbeitung und Einbau des Infraleichtbetons
Gemeinsam mit dem Architekten, dem Statiker, den Bauunternehmen und dem Betonlieferanten fanden vor der Verwendung und dem Einbau des Betons einige Abstimmungsgespräche statt. Dabei wurden wichtige Punkte, wie die Schalhautoberfläche, Betonierabschnitte, Verarbeitungshinweise und der Ausschalzeitpunkt samt Nachbehandlung besprochen und festgelegt. Der Beton kann zwar nicht gepumpt werden, aber durch die geringe Rohdichte kann, trotz kleinerem Baukran, ein Betonkübel mit großem Fassungsvermögen verwendet werden.

Ausführung der einzelnen Abschnitte
Die gesamte Betonmenge für den Infraleichtbeton betrug bei diesem Projekt 61 m³. Der Einbau erfolgte in vier Betonierabschnitten. Bei jeder Betonherstellung wurden zahlreiche Probekörper im Transportbetonwerk und auf der Baustelle hergestellt. Der Betoneinbau wurde ebenfalls durch Prof. Thienel und sein Team begleitet und dokumentiert.

Bild 1: Prüfung der Eigenschaften und Freigabe auf der Baustelle

Bei der Übergabe auf der Baustelle wurden nochmals die wesentlichen Anforderungen (Konsistenz, Rohdichte und Luftgehalt) überprüft bevor die Freigabe zum Einbau erfolgte (Bild 1). Der Beton konnte sehr zügig in die 50 cm dicken Wände eingebaut werden. Der sehr fließfähige Beton wurde lagenweise in Höhen von max. 40 cm eingebaut und mittels Rüttelflasche verdichtet. Der Einbau geht durch die große Wandstärke und weiche Konsistenz sogar etwas schneller als bei Normalbeton. Undichte Schalungsstöße wurden vorab abgedichtet.

Bild 2: Einbau auf der Baustelle
Bild 3: Verdichten des Infraleichtbetons mittels Rüttelflasche

Parallel wurde der Beton auf der Baustelle nach ÜK2 überwacht und zusätzliche Probekörper für die Eigenüberwachung hergestellt. Das Ausschalen der Wände erfolgte frühestens nach 2 Tagen. Wegen der geringen Rohdichte entwickelt der Beton eine hohe Temperatur infolge der Hydratationswärme des Zementes. Dies beschleunigt die Festigkeitsentwicklung, obwohl ein Zement mit niedriger Hydratationswärmeentwicklung eingesetzt wird.

Die Optik ist im Regelfall sehr lebhaft und unregelmäßig und kann kaum beeinflusst werden. Die Rüttelenergie wird durch die geringe Rohdichte und den hohen Luftgehalt stark abgepuffert und wirkt deshalb nicht wie bei Normalbeton. Das DBV-Merkblatt „Sichtbeton“ [2] kann deshalb auch nicht angewendet werden.

Bild 4: Ausschalen nach 2 Tagen

Da es noch keine Norm für den Infraleichtbeton als Transportbeton gibt, erfolgte der Nachweis des Betons auf der Baustelle nach DIN EN 1520 [3]. Dies ist eine Norm für Fertigteile aus haufwerksporigem Leichtbeton. Somit sollten auf der Baustelle auch Bohrkerne zum Nachweis der Druckfestigkeit entnommen werden. Um dies nicht aus den Sichtbetonwänden zu machen, wurden ebenfalls entsprechende Probeplatten (60/60/30 cm³) auf der Baustelle beim Betoniervorgang der Abschnitte hergestellt und dort gelagert. Des Weiteren wurden ebenfalls Würfel und Zylinder auf der Baustelle hergestellt.

Bild 5: Herstellung zusätzlicher Probekörper für die Nachweise der ZiE

Der Bauunternehmer hatte die Baustelle auch zur Überwachung nach ÜK2 angemeldet. Dementsprechend war die Fa. Zertplus bei jedem Betoneinbau vor Ort und hat entsprechende Frisch- und Festbetonkontrollen durchgeführt.

Eigenschaften Einheit Wert
Ausbreitmaß nach 10 Minuten cm 53
Luftporengehalt % 26
Trockenrohdichte kg/m³ 620
Würfeldruckfestigkeit N/mm² 6,1
Zylinderdruckfestigkeit N/mm² 6,8
Elastizitätsmodul N/mm² 3800
Wärmeleitfähigkeit ƛ10, trocken W/(mK) 0,153
Wärmeleitfähigkeit ƛ23/80 W/(mK) 0,180

Tabelle 1: Eigenschaften des SCHWENK Infraleichtbetons

Bild 6: Infraleichtbetonwände im Rohbau

Als Abschlussbearbeitung der Betonoberfläche wurde zum Schutz eine Hydrophobierung und abschließend eine Betonlasur mit einer rötlichen Farbgebung aufgetragen. Diese Farbe sollte den Bezug zur Feuerwehr herstellen. Dabei sollte die Farbgebung nicht gleichmäßig sein, sondern durchaus die lebhafte Oberfläche des Betons unterstreichen. Da die Geschmäcker verschieden sind, kann diese Optik auch polarisierend auf den einen oder anderen Betrachter wirken.

Bild 7: Außenwand nach Abschlussbearbeitung
Bild 8: Eingangsbereich
Bild 9: Umkleideschränke vor Infraleichbetonwand
Bild 10: Gesamtansicht mit Feuerwehrgerätehaus im Hintergrund

Fazit
Nach der Fertigstellung der Baumaßnahme waren alle Beteiligten mit der Ausführung sehr zufrieden und die Baufirma war angetan von der einfachen Verarbeitung des Betons. Die Überwachung der Betonierabschnitte und Auswertung durch die Mannschaft von Fachgutachter Prof. Thienel hat die angenommenen Werte der „Zustimmung im Einzelfall“ bestätigt.

Im Sommer 2021 konnte das Bauwerk nun durch die Feuerwehr Ditzingen in Gebrauch genommen werden. Es haben sich bereits weitere Interessenten das Projekt angesehen und sich von der lebhaften Betonfläche des Infraleichtbetons überzeugen können. Somit sind bereits weitere Einsätze des Betons in Vorbereitung.

Da der Infraleichtbeton eine gute Möglichkeit für nachhaltiges Bauen bietet und sich immer mehr Interessenten für den Baustoff interessieren, sollten parallel auch entsprechende Anwendungs- und Bemessungsregeln für den Baustoff als Transportbeton entwickelt werden. Nur so kann die Hürde zum vermehrten Einsatz des Baustoffes abgebaut werden.

Erweiterung Feuerwehrgerätehaus mit Infraleichtbeton

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