Am 16.10.2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil gefällt, welches große Auswirkungen auf nationale Normen und Regelwerke haben wird.

Das EuGH-Urteil und die Auswirkungen auf Zement und Beton

21. Juli 2015

Am 16.10.2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil gefällt, welches große Auswirkungen auf nationale Normen und Regelwerke haben wird. Der EuGH sieht einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen die Bauproduktenrichtlinie, weil durch zusätzliche nationale Anforderungen an europäisch harmonisierte Bauprodukte durch die deutsche Bauaufsicht, der Marktzugang von Bauprodukten mit CE-Zeichen, aus den europäischen Mitgliedsstaaten behindert wird.

Das Urteil wendet sich an nationale Zusatzregelungen bei folgenden 3 Produktgruppen:

  • Dichtwirkung von Rohrleitungsdichtungen aus Elastomeren
  • Glimmen von Dämmstoffen aus Mineralwolle
  • Brandverhalten von Toren ohne Feuer- und Brandschutzeigenschaften

Obwohl Zement und Beton nicht direkt davon betroffen sind, geht man von einer Signalwirkung für alle Bauprodukte aus.

Das europäische Normungsrecht sieht vor, dass bei europäisch harmonisierten Produktnormen keine weiteren nationalen Regelungen mit zusätzlichen Anforderungen an Bauprodukte gefordert werden dürfen. Beispiel hierfür ist die Zementnorm EN 197 oder die Normung von Flugasche durch die EN 450. Ebenso ist die Norm für Gesteinskörnung EN 12620 europäisch harmonisiert. Produkte, die nach diesen Normen hergestellt, überwacht und vertrieben werden, tragen das CE-Zeichen und sind somit im europäischen Markt frei handelbar.

In Deutschland hat man bisher erweiterte Anforderungen an die Bauprodukte über zusätzliche nationale Regelungen umgesetzt. Als Begründung wurde das hohe Qualitäts- und Schutzniveau in Deutschland angeführt. Beispiel ist die Regelung der Verwendung von Mitverbrennungsstoffen bei der Herstellung von Flugaschen. Da solche Forderungen in der EN 450 nicht definiert sind, wurde die Mitverbrennung durch eine „allgemeine bauaufsichtliche Zulassung“ des DIBT (Deutsches Institut für Bautechnik) geregelt. Das Produkt erhält dann zusätzlich zum CE-Zeichen ein nationales Ü-Zeichen. Diese Forderung, dass zusätzlich zur CE-Kennzeichnung das nationale Ü-Zeichen benötigt wird, soll künftig entfallen. Eine solche nationale Anforderung für Produkte mit harmonisierten Normen verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen den freien Warenverkehr, behindert den Marktzugang und ist daher nicht zulässig.

Was hat das für Auswirkungen auf Zement und Beton?

Die Betonnorm EN 206-1 ist keine harmonisierte Norm. Somit können die Mitgliedsstaaten ergänzende nationale Regelungen dazu definieren. Grund hierfür ist, dass die Europäische Normungskommission den nationalen Besonderheiten und klimatischen Unterschieden entgegen kommen wollte. In Deutschland wurde deshalb die DIN 1045-2 entwickelt. Derzeit gibt es durch das Urteil also keine Einschränkung in der Anwendung des Normenpaktes EN 206-1/DIN 1045-2.

Zemente, die in der Zusammensetzung der harmonisierten EN 197-1 entsprechen sind selbstverständlich weiterhin anwendbar. Ebenfalls nicht betroffen sind Zemente, die zu den nationalen Regelungen der DIN 1164-10, DIN 1164-11 und DIN 1164-12 gehören. Hier werden besondere Eigenschaften (NA, FE, SE und HO) geregelt, für die es noch keine harmonisierten europäischen Normen gibt.

Eine Besonderheit stellen die Zemente nach EN 197 mit bauaufsichtlicher Anwendungszulassung dar, zum Beispiel CEM II/B-M (V-LL) 32,5 R-AZ. Hier wird die erweiterte Anwendung in den Expositionsklassen der DIN 1045-2 geregelt. Diese Anwendungszulassungen (AZ) des DIBT gelten auch weiterhin. Langfristig werden diese nationalen Zulassungen aber durch andere Nachweisverfahren, die derzeit erarbeitet werden, ersetzt. Hierzu bestehen Fristen bis etwa 2020.

Fazit:

Die Auswirkungen des EuGH-Urteils werden fundamentale Änderungen des nationalen Regelwerkes mit sich bringen. Es wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen, wie schnell und in welcher Form der Umbau der Bauregeliste B erfolgt.

Künftig wird es unerlässlich sein, sich verstärkt am europäischen Normungsprozess zu beteiligen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die hohen Anforderungen die wir in Deutschland an unsere Bauprodukte stellen, auch in den europäischen Normen verankert werden. Zusätzliche Anforderungen an Bauprodukte durch nationale Regelungen wird es bei europäischen harmonisierten Normen künftig also nicht mehr geben.

Hersteller der Ausgangsstoffe für Beton müssen diese Veränderungen also beachten. Für den Betonhersteller ändert sich derzeit aber nichts. Die EN 206-1, in Verbindung mit DIN 1045-2, kann wie bisher weiter angewendet werden.

Die SCHWENK Zement KG wird die „allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen“ für seine Zemente überprüfen und bei Bedarf rechtzeitig verlängern, bzw. in „Europäische Technische Bewertungen (ETA)“ überführen.

Wir werden diesen Prozess eng begleiten und Sie entsprechend informieren.

SCHWENK Zement KG
Leiter Anwendungstechnik Zement
Werner Rothenbacher

Stand 10.07.2015

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